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Weil der heimatliche Sommer uns die geliebten warmen Terrassenabende bislang hartnäckig verweigerte, beschlossen wir, das Caravangespann zu satteln und in südlichere sonnengarantierte Gefilde zu entfleuchen. Korsika soll im September noch ein ausgeglichen warmes Klima und angenehme Badetemperaturen bieten. Die Campingplätze wären wegen der inzwischen überall zuende gehenden Schulferien nicht mehr überfüllt. Vorweggenommen: Es stimmte alles!
Über das Internet waren schnell alle interessierenden Informationen eingeholt, als Zielort Ghisonaccia mit dem Camping "Arinella Bianca" avisiert und die Fährbuchung von Livorno nach Bastia organisiert. Wir wollten die Fähre am Abend vor der Abfahrt als Nachtquartier nutzen, was als "Nautel"-Buchung problemlos in Kombination Telefon-Internet auch möglich wurde.
In Livorno quirlte in den Abendstunden das italienische Leben und wir quirlten mit dem Gespann mitten durch das Stadtzentrum immer den braunen Schildern nach mit der Aufschrift "imbarco passagiri". Bald standen wir im Hafen. Unsere wuchtig hervorragende Fähre lag mit geöffneter Bugklappe hell erleuchtet, aber in tiefer Ruhe gemütlich vor sich hin. Nach Auskunft suchend, fanden wir ein mit gelbem Overall gekleidetes Crewmitglied, das uns bei dem Zauberwort "Nautel" zu verstehen gab, in etwa einer halben Stunde würde er uns an Bord lassen. Schließlich krabbelten wir in den riesigen Schiffsbauch, parkten das Gespann im Unterdeck und bezogen unsere gebuchte Kabine, richteten uns kurz ein und begaben uns auf Erkundungstour in die oberen Regionen unseres kleinen Kreuzfahrers.
Die Geschäfte waren noch geschlossen, dafür Cafeteria und Self-Sevice-Restaurant geöffnet. Nach einem ausgiebigen Nachtmahl war Kabinen-Nachtruhe angesagt. Frühstück genehmigten wir uns rechtzeitig vor Abfahrt der inzwischen recht belebten Fähre.
Nach vierstündiger Fahrt tauchte Korsika, von den Einheimischen "Die Schöne" genannt, aus dem Dunst hinter den vom Seewasser eingeschmuddelten Scheiben des Bar-Salons auf. Fasziniert verfolgten wir die Hafeneinfahrt in Bastia, begaben uns schließlich wieder unter Deck, begrüßten das inzwischen mit Werbeschildchen beklebte Gespann und verließen unser gastfreundliches Seegefährt. Die Ausfahrt aus dem Hafen war dank des einweisenden Personals und der guten Ausschilderung problemlos.
Für unser Ziel Richtung Süden mussten wir nur den Wegweisern nach Bonifacio folgen. Gut, dass mein Sohn beifahrerische Qualitäten bewies und mich, der es nicht lassen konnte, der städtischen Umgebung von Bastia hin und wieder einen Blick zu widmen, ermahnte, die Kreisverkehre genauer in Augenschein zu nehmen. Die Straße führte vermutlich wegen des schnelleren Verkehrsflusses nämlich unterhalb des Kreises schnurgerade hindurch. Kleine Schilder und einige baumelnde Kettchen signalisierten aber, dass die Durchfahrtshöhe maximal 2,60m betrug. Unser Caravan maß zwar nur 2,56m in der Höhe, darin war der Antennenaufbau aber nicht enthalten. Glücklicherweise bekam ich also noch rechtzeitig die Kreisverkehrkurve und wäre beinahe im nächsten Kreisverkehr wieder in die gleiche Falle getappt.
Nach knapp zwei Stunden Fahrt auf angenehm gerader Straße erreichten wir den Ort Ghisonaccia. Etwa 4-5 Kilometer östlich in Richtung Küste liegen einige Campingplätze der nach Aussagen deutscher und französischer Campingführer gehobenen Kategorie.
Zwischen der Rezeption am Eingang und dem Gaststätten- und Einkaufsbereich am Meer erstreckt sich das Platzgelände des Campings "Arinella Bianca" um einen kanalähnlich angelegten Teich. Rechts neben der ansprechend gestalteten Rezeptionseinfahrt befinden sich über hundert unter Bäumen versteckte Miethütten, Mobil-Home Loggia genannt. Es folgen etwa eben so viele Stellplätze für die Camper unter hohen Bäumen, dem Bewuchs angepasst und von Buschwerk begrenzt. Meerwärts folgt eine weitere Hundertschaft Bungalows. Bevor es an den Strand geht, durchläuft man das größtenteils überdachte Kommerzzentrum mit großer Gaststätte, Verkaufsstelle und Animationsbühne. Dahinter liegt eine schöne Badelandschaft mit Liegewiese und direktem Zugang zum Sandstrand des Meeres.
Insgesamt machte der Platz der langen Wege einen etwas verwirrenden Eindruck. Das Personal war unaufdringlich freundlich, man sprach sogar sehr gut Deutsch. Für Kinder wurde viel organisiert. Sportlicher Betätigung, und wer es dann möchte, auch künstlerischer Selbstdarstellung konnte man zur Genüge frönen. Wer es allerdings auf Ruhe abgesehen hat, sollte in den Nachtstunden die dröhnende Animation benachbarter Ferieneinrichtungen ertragen können.
Korsikakenner hatten uns versichert, dass der westliche Teil der Insel wesentlich schöner sei als die Ostküste. Wir entschieden uns trotzdem bewusst für den Ostteil (Leser unseres Buches "Ostalgie-Camping" werden sich an dieser Stelle eines ironischen Schmunzelns bestimmt nicht erwehren können) und sollten es nicht bereuen. Zwischen Bastia und Bonifacius ließen wir kaum einen Ort aus und fuhren von der N 198 über engste Nebenstraßen ins Landesinnere zwecks Bestaunen der phantastischen Landschaft und der Ursprünglichkeit einer Inselwelt, die in unserer Erinnerung als einmalig schön, wild und romantisch zugleich lebendig bleiben wird.
Die erste Tour ins Landesinnere führte uns circa 40 Kilometer nördlich unserer Urlaubsbasis Ghisonaccia bei Prunente westwärts auf die D 71, der wir bis zu ihrem Ende in Ponte Leccia folgten. Wir bewegten uns nicht nur in einer phantastischen Gegend, der Castagniccia, dem Kastanienland Korsikas, sondern auch durch historisch trächtige Orte, bedeutend für die Geschichte der Insel. Den von Prunente kommenden Reisenden grüßt von der Höhe herab das hübsche Cervione und lässt ihn bereits erahnen, welche Wegnisse er zu überwinden haben wird. Und so fuhren, besser erkurvten wir uns auf engsten Straßen die Castagniccia, zumindest ging das so bis zum ersten Pass, dem Col d´Arcarotta, danach wurde die Fahrt wegen des etwas breiteren Sträßchens angenehmer.
Unübersehbare Maronenwälder in den Tälern und an den Berghängen, dazwischen für des Touristen Auge malerische Dörfer. Mit brüchigem Schiefer gedeckte Häuser, kleinen Festungen gleichend, geschart um den herausragenden Kirchturm, erbaut auf fast unzugänglichen Bergkuppen oder angelehnt an steile Hänge fesselten unsere Augen und Fotolinsen. Hinter jeder Biegung, und derer gab es unzählige, boten sich uns neue faszinierende Ausblicke. Man sagt zwar, dass die Fahrt aus der Gegenrichtung noch beeindruckendere Aussichten zu bieten hätte, dafür kann man aber den größten Teil der Strecke an der Bergseite zurücklegen und vermeidet es, die gesamte Aufmerksamkeit der leitplankenlosen Talseite zu widmen.
Die Auberge de Deux Vallés auf dem Col d´Arcarotta erinnert an in Filmen über das Mittelalter dargestellten unheimlichen Herbergen mit allerlei heruntergekommenem Gesindel. Heute parken an den Stellen, die einst Pferden vorgesehen waren, die Autos der Touristen. Die Gästeschar ist auch vornehmer geworden und die Gaststube selbst hat einen Panoramaanbau mit unvergleichlichem Ausblick in das Tal des Alesani bekommen. Weiter ging es hinunter nach Orezza, dem Ort, in dem das in Korsika überall erhältliche Mineralwasser gleichen Namens abgefüllt wird.
Begegneten uns bis dahin unterwegs auf der Straße immer wieder einzelne Kühe, gelegentlich auch kleine Herden, bekamen wir es nunmehr mit halbwilden Schweinerudeln und einer seltsamen Rasse Bergschafe zu tun. Vorsichtig ging die Fahrt weiter, hinauf zum Col d´Prato und wieder hinunter nach Morosaglia.
Unterwegs fanden wir die lang gesuchten Korkeichen mit ihren abgeernteten, nur noch braunroten Stämmen. Nach 71 km endete die D 71 in Ponte Leccia, dem zentralen Eisenbahnknotenpunkt Korsikas, wenn auch ohne erkennbarem Knoten.
Dafür bot sich von hier ein herrlicher Blick auf das Panorama des Asco und Rotondo-Massivs. Zurück führte der Weg über die ebenfalls reizvolle, aber stärker befahrene N 193 und danach südlich auf der N 198 zum Campingplatz.
Auf unseren Erkundungstouren Richtung Süden fielen uns die ungewöhnlich geformten Zackenspitzen des landeinwärts liegenden Bavella-Massivs auf, welches wir unbedingt erkunden mussten. Vor Solenzara, einem typischen Touristenort, 17 km südlich von Ghisonaccia, bogen wir in westlicher Richtung ab auf die D 268, hinein in das Tal des romantischen Flüsschens Solenzara.
Um es vorweg zu nehmen: Die gesamte Strecke erwies sich als für Touristenerkunder gut ausgebaut, kurvenreich zwar und schmal, aber doch ausreichend breit, ohne Absturzängste zu bekommen. Unterwegs sind jede Menge Aussichtsplätzchen eingerichtet, hinzu kommen abenteuerliche Kletteranlagen und einige Einkehrmöglichkeiten. Landschaftlich bietet sich Faszination pur, voller Abwechslungen und beeindruckender Schönheit.
Der erste Teil der Strecke wird noch von der Macchia geprägt, einem immergrünen Buschwald mit undurchdringlich in sich verschlungenen mediterranen Pflanzen, die einen unverwechselbaren Duft über die Insel breiten.
Besonders auf den Höhenlagen der Berge und nach kleinen Regenschauern erschloss sich unseren abgasgepeinigten Nasen der wunderbar süßliche Duft einer unvergleichlichen Kräutermischung aus Lavendel, Thymian, Myrthe, Rosmarien, Zitrone, Ginster und Wacholder. Diese Pflanzen sollen jedenfalls in der Macchia wachsen, also duftet es hier bestimmt auch danach.
Erste Station machten wir an einer Stelle, an der der Fluss unwiderstehlich zum Baden einlud. Im wunderbar kühlen Wasser kletterten wir auf den teils mächtigem Felsgestein im Flussbett herum und ließen es uns wohl gehen. Auf der Weiterfahrt erklommen wir die Pässe Col de Larone und Col de Bavella. Zwischendurch genossen wir die vielfältigen Ausblicke auf die Welt der korsischen Berge, die zwar den Dolomiten ähnlich, aber doch so ganz anders ist. Hinter jeder Kurve bot sich eine andere, noch grandiosere Aussicht.
Ein Höhepunkt der Rundreise war der Aufenthalt auf dem Col de Bavella. Man sagt, er sei der schönste Pass der Insel. Der Ausblick auf die Bavella-Nadeln, die Aiguilles de Bavella, ist grandios. Für das Wohlergehen der Touristen sorgen die Auberge du Col und Le Refuge. In etwa 500m Höhe unter dem Pass führt die Route durch den kleinen Ort Zonza, dem Zentrum des Alta Rocca. Man sollte es nicht glauben, aber hier, abseits aller Welt, herrscht reges touristisches Treiben zwischen Restaurants, Geschäften und Herbergen.
Nach kurzer Fahrstrecke erreicht man einen Parkplatz mit kleiner Gastronomie. "Piscia di Ghjaddu" steht auf einem Schild am Straßenrand und weist in einer Richtung zur "Cascade". Bis zu diesem Wasserfall kamen wir gar nicht, der überwältigende Ausblick auf das ferne Meer und die Stadt Porto Vecchio ließen uns dazu keine Zeit mehr. Getopt wurde das Ganze noch am Ortseingang von L´Ospedale. Die sich hier auf Stadt, den Golf und die kleinen Inseln bietende Aussicht zwingt jeden vorbeifahren Wollenden zum Halten.
Abschluss der Rundreise war Porto Vecchio, ein quirliger Ort an der N 198, von der es entlang der Küste nach Norden zurück ging zum Basis-Camp.
Als die wohl aufregendste Route empfanden wir die Straße von Ghisonaccia nach Ghisoni und weiter über Vivario in die ehemalige und noch heute heimliche Hauptstadt Corte. Die anfangs recht gut zu befahrene Straße wird bald zum Schlängelweg durch gewaltige Talschluchten, sich auf halber Höhe an Felswänden entlang windendes, unbefestigtes Sträßchen, durch wenige urwüchsige Dörfer kletternder, heute asphaltierter ehemaliger Maultierpfad.
Für Fahrzeugbegegnungen gab es einige wenige Ausweichbuchten. Glücklicherweise sind aber kaum Fahrzeuge unterwegs. Hin und wieder ein paar Kühe, kreisende Raubvögel und in der Ferne wie Schwalbennester an die Felswände geklebte Dörfer waren die einzigen Zeichen geahnten Lebens.
Défilé de I´Inzecca heißt eine der engsten und wildesten Schluchten Korsikas, durch die unten der Fium´Orbu rauscht und sich bis zu 300 Meter tief in die Berge geschnitten hat. Am Ende der serpentinenreichen Straße erreichten wir das Dorf Ghisoni, mitten in Kastanienwäldern gelegen. Danach erkletterten wir den Col de Sorba und schlängelten uns hinunter nach Vivario. Dort trafen wir auf die breite, gut ausgebaute N 193, der wir bis Corte folgten.
Nach ausgiebiger Besichtigung der alten, jungen Universitätsstadt und unvermeidlicher Einkehr in eines der vielen Cafés fuhren wir auf der N 200 die 50 km durch das Tal des Tavignano nach Aléria und von dort zurück nach Ghisonaccia.
Die südlichste Stadt Korsikas ist Bonifacio und thront auf einer 60m hohen Felsklippe. Zu ihren Füßen liegt in einer fjordähnlichen langgezogenen Bucht der geschützte Hafen mit seinen vielen Ausflugbooten, Großseglern und Jachten aus aller Häfen Länder. Am Kai entlang reihen sich unzählige Restaurants, Bars und Ladengeschäfte aller Preisklassen.
Hoch oben auf dem Plateau der Meerenge zwischen Korsika und Sardinien erstreckt sich die mächtige Festungsanlage, die wir nun zu erstürmen gedachten. Wegen eines fehlenden Parkleitsystems irrten wir zunächst in der Unterstadt am Jachthafen umher und lernten allmählich die französische Vokabel "Complet", Synonym für besetzte Parkplätze, zuerst auswendig und dann hassen.
Trotz Nachsaison wimmelte es von Besuchern, Touristen und Tagesgästen. Da wir hier unten keine Abstellgelegenheit für unseren Pkw fanden, wagten wir die Zuckeltour in der langen Autoreihe nach oben in die Altstadt, vorbei an "Complet-Parkplätzen" bis hinauf auf das Plateau, vor dem uns ein mit freundlichem Gesicht gestikulierender Parkwächter klar machte, dass hier die letzte Möglichkeit einer Rangierwendung nach unten wäre. Eines hatte der nervenaufreibende Versuch, die Oberstadt mit dem Auto zu befahren, aber doch gebracht:
Wir hatten die hübschen engen Gässchen mit ihren Boutiquen und alten Häuschen mit sich dazwischen quälend hindurchschiebenden Massen im Schritttempo an unseren Autoscheiben vorbeigleiten lassen können. Wieder unten, suchten wir weiter nach einer Parkgelegenheit und fanden endlich auch eine. Jetzt wollten wir mit dem "Le Petit Train Touristique", einer Art Schu-Schu-Bahn, hinauf in die Altstadt fahren. "Complet", meinte die Dame am Fahrkartenschalter und wies auf die vielen Reisebusse, deren fröhlicher Inhalt sich an der Haltestelle tummelte und auf das reservierte nächste Bähnlein wartete.
Also zu Fuß nach oben? Bei der Hitze? Kommt nicht infrage. Also Hafenbesichtigung und untergetaucht im lebhaften Treiben an der Uferpromenade Quai Comparetti. Und plötzlich fühlten wir uns gefragt. Nix "complet"", die Werber für Passagiere der Ausflugsboote mühten sich um Fahrgäste.
Wir ließen uns anwerben. Nach dem Verlassen des ruhigen Hafengewässers schaukelte das kleine Ausflugsboot lustig um die Halbinsel und zuckelte erst geruhsamer vor einem Grotteneingang, der in seiner Form an den Hut Kaiser Napoleons erinnert. "Grotte de St-Antoine", erklärte die ununterbrochen schallende Lautsprecherstimme. Hoch oben auf der Klippe zieht sich die Festungsmauer hin und endet erst an den wie Schwalbennester in die Wand geklebten Häuser der Stadt.
Wie mit einem Messer in den Fels geschnitten, führt die aus 187 Stufen gebaute "Königstreppe" von der Klippe hinunter zum Meer. Vorbei an aus dem Wasser ragenden Kalksteinfelsen tuckerte das Boot zum Höhepunkt der Besichtigungsfahrt: Es ging hinein in die Grotte du Sdragonato, das Schifflein drehte sich im Inneren einige Male um die eigene Achse und ließ die Passagiere staunend an die Decke starren, deren Öffnung fast exakt den Inselumriss von Korsika erkennen lässt, allerdings verkehrt herum.
Die Farbsymphonie in Blau war mehr als ein Augenschmaus, sie prägte sich unvergesslich in unserem Gedächtnis ein. Mit dieser Erinnerung saßen wir wenige Stunden später wieder auf dem Campingplatz, genossen das süffige "Pietra"-Kastanienbier und träumten von einer baldigen Wiederkehr nach Korsika - der Schönen, um dann auch die Westküste zu erkunden.
unsere Seiten wurden letzmalig geändert am 04.11.2016